Goodbye Mauritius
Viel ist bereits über die Kopf- und Bildnisform des bekannten, 1915
erstmals realisierten Schwarzen Quadrats nachgedacht und
geschrieben worden. Die totale Ablösung vom Gegenstand und von den
Erscheinungen der Natur existiert nur als Behauptung, als Gedankenspiel
– nicht aber als Fabriziertes und schon gar nicht in der Gestalt
eines Kunstwerks, wo es „um eine Wahrheit des gegenstandslosen Seins
unter der Oberfläche der Erscheinungen geht“ – so jedenfalls drückte
es Kasimir Malewitsch einst aus, der ein Pendant zum Schwarzen
Quadrat folgendermaßen betitelte: Rotes Quadrat. Malerischer
Realismus einer Bäuerin in zwei Dimensionen.
Das „gegenstandslose Sein unter der Oberfläche der Erscheinungen“,
bzw. der motivische und metaphorische Zusammenhang, der durch reduktive
Formung konkreter Natur- und sonstiger Phänomene nahezu unweigerlich
entsteht, ist das künstlerisch-weltanschauliche Feld, in dem auch
Frank Maiers Malerei anzusiedeln ist, in der dicht gestaltete, fein-ziselierte
Linien- und Flächenordnungen herrschen.
In den vordergründig abstrakt anmutenden Gemälden verwendet der
Künstler Form-Komplexe, die sich konkret auf Wirklichkeit beziehen
– etwa auf die physische Eigenart eines Meerestieres, einer Krabbe
(siehe: Crab,
oder Black
Hole Crab Sun). Durch ihre dreieckig zulaufenden Verteidigungswerkzeuge
und ihren charakteristisch gepanzerten Körper ist sie erkennbar
und bringt zugleich verschiedene Assoziationen mit ins Spiel. Dazu
gehört der Aspekt der Wehrhaftigkeit und des Gerüstetseins, den
man in einem positiven Sinne als Souveränität oder Autonomie verstehen
kann, denn so sichert sich die Spezies aus der Urzeit ihren Fortbestand.
Hinzu kommen von der Krabbe abgeleitete Thematiken wie das ´in der
Klemme stecken´ und das ´herumkrebsen´ sowie die Fähigkeit des Tieres,
sich alternativ seitwärts und rückwärts zu bewegen, wenn es gradlinig
mal nicht weitergeht.
Komplex ist auch das Bedeutungsfeld, das sich mit Frank Maiers Bild
Lullaby
eröffnet, wo abgetrennte Scheren und sonstige Krabbenkörperfragmente
in einer Yves Tanguy-artigen, phantastischen Ödnis gestrandet zu
sein scheinen. Das in dem bekannten Wiegenlied Schlaf, Kindlein,
schlaf zum Ausdruck kommende Destruktions- und Verlustpotenzial
wird im Bild mit einem vergossen wirkenden Rot-Ton angedeutet –
wenn nicht gar illustriert – dessen amorphe Flächenbildung im starken
Kontrast zu den ebenso im Bildraum anwesenden Kreisformen steht.
Diese Kreisformen sehen aus wie vielfarbige Kugellager, die kompakt
und autonom in Frank Maiers Bildräumen anwesend sind (z.B. in Sparkling),
bzw. sich dort neue Plätze suchen. Ihre aus singulären Elementen
gestaffelte Existenzform ist eine ´Neu-Verpuppung´ der farbbandartigen
Einfassungen, die sich in vielen Arbeiten des Künstlers an den Bildrändern
aufstauen und die oft noch über den Bildraum hinaus materiell von
einer oder mehreren Rahmenleisten fortgeführt werden – aufgefächerte
Schnittstellen, mit denen das Bild sich getrennt von seiner Umgebung
als es selbst behauptet.
Neu in Frank Maiers Ikonographie ist die Anmutung kosmischer Landschaften,
etwa im Bild escape,
in dessen Sphäre eine vermeintlich rotierende, technoid-schillernde
Kreisform Franz Radziwill-artig zu einem mehr oder weniger bekannten
Flugobjekt mutiert, das entweder die Lebenswelt des Menschen bedroht,
oder einen monadenartigen Schutzraum angesichts der desolaten Erd-Situation
verspricht.
Text: Thomas Groetz / Translation: Frank Geber
FRANK MAIER